Streitgespräch Sparen bei der Kultur? Sicher nicht, war sich die Berner Kulturszene am StadtKunstFest einig. Stadtpräsident Alec von Graffenried argumentierte dagegen finanzpolitisch – und schloss Wunder nicht aus.
Ein rauschendes Fest war es zwar nicht. Trotzdem demonstrierte die Berner Kulturszene am Samstag, dass sie zum Schluss der Sommerpause bereits wieder auf Betriebstemperatur ist: In und um den Progr hatte sie zum Stadt-KunstFest geladen, und ein in ordentlicher Zahl aufmarschiertes Publikum widerstand den Verlockungen des Badewetters. Schliesslich galt es, an diesem Anlass gegen die Sparpläne der Stadt ein Zeichen zu setzen – insbesondere gegen die vorgeschlagene Schliessung der Stadtgalerie.
Dass die städtischen Finanzen in Schieflage sind, bestritt natürlich auch Bernhard Giger nicht, der Präsident von Bekult, dem Dachverband der Berner Kulturveranstalter. Giger, der bis letzten Dezember das Kornhausforum leitete und damit selber Subventionsnehmer war, duellierte sich in einem Streitgespräch mit Stadtpräsident Alec von Graffenried. «Wie läufts mit der Kulturpolitik der Stadt?», so lautete der unverfängliche Titel des Podiums.
Von Graffenried dürfte angenehmere Momente im Kreis von Kulturschaffenden verbracht haben. Als Vorsteher des Präsidialdepartements ist er der oberste städtische Kulturförderer; ausgerechnet er also musste am Stadt-KunstFest dem kulturaffinen Publikum plausibel machen, warum der Gemeinderat die Kultur von Sparmassnahmen nicht ausnehmen will.
Dabei ist es erst gut zwei Jahre her, dass Alec von Graffenried sagte: «Wir können uns das leisten.» Ende 2018 war das, und damals kündigte der Stadtpräsident eine markante Erhöhung der städtischen Kulturgelder an: Um sieben Prozent oder total 2,3 Millionen Franken wurde das Budget aufgestockt, etliche Institutionen durften sich über mehr Fördergeld aus der Stadtkasse freuen. Begründung: Die Unterfinanzierung so mancher Institution solle damit endlich behoben werden.
«Wir können uns das nicht mehr leisten»: So sagte es Alec von Graffenried nun am Samstag im Progr-Hof. Mittlerweile sei der finanzpolitische Rahmen ein anderer, und darum müsse nicht nur beim Tiefbauamt und bei der Stadtgärtnerei, sondern eben auch bei der Kultur gespart werden. Wobei die Kultur vergleichsweise gut wegkomme. Und überhaupt, auch nach den geplanten Kürzungen sei immer noch mehr Geld für die Kultur vorhanden als 2019.
Zwar warf Giger darauf ein, dass es seinerzeit für die Erhöhung der Kulturgelder Gründe gegeben habe und dass die Stadt mit der geplanten Kürzung ihre eigene Kulturpolitik untergrabe; aber von Graffenried liess sich auf diese Diskussion nicht ein. Er blieb beim finanzpolitischen Argument: Wo kein Geld ist, kann auch keines fliessen. Auch die Kultur müsse sparen – alles andere sei unsolidarisch. Und weil das Publikum auf sein engagiert vorgetragenes Votum («Wo bleibt die Solidarität?») keinerlei Reaktion zeigte, sagte von Graffenried: «Ich applaudiere mir selber.»
Die Frage ist aber durchaus berechtigt: Warum sollte ausgerechnet die Kultur verschont bleiben? Wer finde, dort dürfe nicht gespart werden, sei nicht unsolidarisch, entgegnete Bernhard Giger, und weiter: «Kultur stellt öffentliches Gut her. Alles, was sie bekommt, gibt sie an die Öffentlichkeit zurück.» Aber, mit Verlaub, ist das beim Tiefbauamt oder bei der Stadtgärtnerei denn anders? Wird dort nicht ebenfalls öffentliches Gut hergestellt? Leider verpasste Alec von Graffenried diesen Steilpass.
Und so drehte sich die Diskussion im Folgenden um einzelne Aspekte der Sparvorschläge – etwa darum, wer die Aufgaben einer Stadtgalerie übernehmen solle, wenn diese geschlossen würde («Offspaces», so von Graffenried), oder dass ab 2024 primär die Institutionen mit Leistungsvertrag mit Kürzungen rechnen müssen (von Graffenried: «Der Stadtrat hat wiederholt betont, dass er bei der freien Szene nicht sparen will.»).
Zudem wurde deutlich: Institutionen, die tripartit finanziert sind – also von Stadt, Kanton und Regionsgemeinden gemeinsam – müssen mit zusätzlichen Einbussen rechnen. Wenn die Stadt ihnen nämlich weniger Geld gibt, werden das unweigerlich auch Kanton und Regionsgemeinden tun: Der Verteilschlüssel ist nämlich fix.
Viele müssen sich also künftig auf weniger Fördergelder gefasst machen (mit Ausnahme des Puppentheaters, das gemäss von Graffenried wieder einen Leistungsvertrag bekommen soll). Es sei denn, fügte von Graffenried an, die Steuereinnahmen würden auf wundersame Weise wieder steigen, «das ist nicht ausgeschlossen». Erkenntnis Nummer eins: Der Stadtpräsident schliesst die Existenz von Wundern nicht grundsätzlich aus. Erkenntnis Nummer zwei: Damit unterstreicht er sein ökonomisches Argument erneut, wenn es um Kultur geht. Man muss sie sich leisten können.
Zum Schluss des halbstündigen Gesprächs wollte Bernhard Giger, der im Grunde eher kritischer Fragesteller denn Duellant war, vom Stadtpräsidenten wissen, welcher der Sparvorschläge im Stadtrat wohl durchkomme. Von Graffenried zählte ausschliesslich jene auf, die es schwer haben dürften. Sowohl er wie Giger schienen nicht daran zu zweifeln, dass der Stadtrat kaum Ja sagen dürfte zur Schliessung der Stadtgalerie. «Ist das nicht total frustrierend für dich?», fragte Giger beinahe mitfühlend.
«Wie läufts mit der Kulturpolitik der Stadt Bern?»: Das Streitgespräch hätte so etwas wie der frühe Showdown in der aktuellen kulturpolitischen Spardebatte sein können. Aber es schien, als sei den Duellanten schon von vornherein klar gewesen, dass die Meinungen im Publikum – und wohl auch in der Berner Legislative – bereits gemacht sind Entschieden wird sowieso im Rathaus: Ab dem 2. September beugt sich der Stadtrat nämlich über die Finanzplanung der nächsten Jahre.
— Schliessung der Stadtgalerie, ab 2023, Spareffekt: 220’000 Franken
— Verzicht auf das New-York-Stipendium: 60’000 Franken
— Streichung des Kredits «Promotion und Distribution»: 150’000 Franken
— Reduktion der Unterstützung für Institutionen mit tripartitem Leistungsvertrag (die also von Stadt, Kanton und den Regionsgemeinden gemeinsam finanziert werden), ab dem Jahr 2024: 500’000 Franken
— Reduktion der Unterstützung für ausschliesslich städtisch finanzierte Kulturinstitutionen, ab dem Jahr 2024, Spareffekt 269’000 Franken
— Reduktion der Stelle Fachexpertin Kunst und Kunst im öffentlichen Raum, ab dem Jahr 2024: 61’000 Franken. (reg)