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Medienmitteilung: Kürzung der direkten Förderbeiträge:

Ein Teil der Berner Kultur droht wegzubrechen

Das Kulturschaffen gehört zu den von der Corona-Krise am meisten betroffenen und geschädigten gesellschaftlichen Bereichen. Von den grossen Häusern über Clubs und Galerien bis zu den kleinen Bühnen mussten die Betriebe massiv heruntergefahren werden und es kam fast überall zu kompletten Einnahmeausfällen. Noch immer ist eine ganze Reihe von Kulturbetrieben geschlossen, und an den meisten Orten, die wieder öffnen konnten, ist ein Betrieb erst in stark reduziertem Umfang wieder möglich. Wie weit es zu Schliessungen kommen wird oder auch zur Auflösung von freien Gruppen und Formationen, lässt sich im Moment schwer abschätzen. Aber die Löcher, die nach Corona gestopft werden müssen, sind riesig.

Vor diesem Hintergrund sind die vom Gemeinderat der Stadt Bern im Budget 2021 vorgesehenen Kürzungen der Kulturausgaben für zumindest einen Teil des Berner Kulturschaffens der Ko-Schlag. Es handelt sich um einen Betrag von Fr. 372’743.-, nachdem bereits in diesem Jahr in der Kultur rund Fr. 200’000.- eingespart wurden. Das vom Gemeinderat vorgeschlagene Sparpaket, ein Rundumschlag durch alle Direktionen, ist auch in der Politik umstritten. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass Rasenmäher-Methoden noch nie kluge Finanzpolitik waren, sondern bloss willkürlich und in gewissen Fällen mit schwer korrigierbaren Folgen.

Wenn in der Kultur kurzfristig gespart werden muss, trifft es ausschliesslich nur den einen Bereich: die direkte, die freie Förderung. Der weitaus grösste Teil der Kulturgelder, in der Stadt Bern fast 30 von insgesamt 37,5 Millionen, ist gebunden in mehrjährigen Leistungsverträgen. Die aktuelle vierjährige Periode der Kulturförderung hat gerade begonnen und dauert bis Ende 2023. Bis dann kann hier nichts gekürzt werden.

Es sind vergleichsweise kleine Beträge, die im Budget 2021 eingespart werden sollen: Fr. 17’000.- bei der Literatur, 15’000.- beim Filmschaffen, 22’000.- bei der Breitenkultur, 50’000.- beim Tanz- und Theaterschaffen, 23’000.- bei Promotion und Distribution. Für Aussenstehende mag der Verlust auf den ersten Blick verkraftbar sein. Doch ist es genau umgekehrt: Die von Kultur Stadt Bern und ihren Fachkommissionen gesprochenen Unterstützungen sind für die meisten Gesuchsteller die eigentliche Basis der Finanzierung. Sie entscheiden darüber, ob ein Projekt realisiert werden kann und sind massgebend für die Restfinanzierung.

Mit anderen Worten: Was jetzt zu kippen droht, ist die Saat des städtischen Kulturlebens. Die Streichung der direkten Förderbeiträge trifft das freie, ungebundene, noch nicht etablierte Kulturschaffen, sie trifft das junge Kulturschaffen, sie trifft das neue Kulturschaffen – kurz: sie trifft ein Stück weit die Zukunft der Berner Kultur überhaupt. Wenn den Freien die Perspektiven fehlen, bricht viel zusammen: Was heute in der freien Szene entsteht, ist morgen vielleicht die Entdeckung eines grossen Hauses.

Um nichts weniger geht es bei der Einsparung dieser Fr. 372’743.-. Um das kulturelle Selbstverständnis der Kulturstadt Bern, einem Label, mit dem sich Politik und Tourismusbüro sonst gern schmücken.

Der Verein bekult, in dem über 80 Berner Kulturveranstalterinnen und Kulturveranstalter zusammengeschlossen sind, ersucht die Stadträtinnen und Stadträte eindringlich, von der Kürzung der direkten Förderung abzusehen. Gleichzeitig ist sich bekult jedoch bewusst, dass die Kultur, wie andere Bereiche des öffentlichen Lebens, angesichts des aktuellen Spardrucks künftig mit eher weniger als mehr Fördermitteln rechnen muss. Aus diesem Grund schlägt bekult hinsichtlich der für 2022 geplanten, neuen Finanzstrategie der Stadt Bern eine grundsätzliche Neuorientierung in der städtischen Kulturförderung vor – wo nötig, in Abstimmung mit Kanton und Region.

Wenn die Mittel für die direkte Förderung fehlen, müssen die Kulturausgaben zwangsläufig neu aufgeteilt werden. Was in der Kulturpolitik lange Zeit selbstverständlich, zuweilen geradezu ein Tabu war, ist darum vorurteilslos zu überprüfen: Der grosse, nahezu unbewegliche Anteil der Förderung von Institutionen mit Leistungsvereinbarungen. Soll die Kulturförderung der öffentlichen Hand nicht in Schieflage geraten, sind hier neue Modelle und neue Verteilschlüssel zwischen gebundenen und freien Beiträgen gefragt.

bekult zählt unter seinen Mitgliedern etliche Institutionen, Veranstalter und Veranstalterinnen sowie Festivals mit Leistungsvereinbarungen. Gerade darum, weil wir Erfahrung haben im Führen eines kulturellen Betriebs, bringen wir uns nun aktiv ein: Wir wissen, dass wir einander brauchen, die Kulturmacherinnen und die Kulturveranstalter, und dass die einen ohne die anderen verloren wären.

Auskunft erteilen:
Bernhard Giger, bekult-Präsident, 079 682 76 32
Beat Glur, bekult-Geschäftsführer, 079 333 65 10