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NEWSLETTER 10 – MAI 2020

Liebe bekult-Mitglieder

Der drohenden Absage setzte Buskers Bern auf der Website bis zuletzt trotzig Optimismus entgegen, ein kleines Zeichen der Hoffnung. Es nützte nichts. Sowohl Buskers als auch das Gurtenfestival sind nun definitiv abgesagt, weil Grossveranstaltungen mit über 1000 Teilnehmenden bis mindestens Ende August verboten sind. Ein Openair-Festival unter den gegebenen Schutzbestimmungen, das wäre das Gegenteil dessen, was der Event sonst verspricht: «Ein wichtiger Teil eines Festivals ist es doch,» sagt Gurtenfestival-Co-Leiter Simon Haldemann im ‘Bund’, «andere Menschen zu spüren, zu fühlen, zu riechen und eine Interaktion zwischen Künstlern und Publikum zu erleben. Deshalb kann ich mir ein Festival unter Einhaltung des 2-Meter-Abstands nicht vorstellen.» Ähnlich äusserte sich vor zwei Wochen bereits BuCK-Geschäftsführer Max Reichen zum Club- Betrieb: «Unser Personal könnte vielleicht noch Masken tragen, aber bei den Gästen wird es schon schwieriger; viele suchen eine Partnerin oder einen Partner – aber mit einer Maske kann man sich nur schlecht küssen.» (Bund, 18. April 2020)

Die pragmatische Sichtweise der Veranstalter ist löblich, bloss löst sich damit gar nichts: Die Ertragsausfälle und auflaufenden Kosten bleiben die gleichen. Das ist im Moment die Realität des ganzen Kulturbetriebs, mit jetzt noch gänzlich ungewissen Folgen und Konsequenzen. Als eine erste Lockerung hat der Bundesrat diese Woche die Wiederöffnung von Museen, Bibliotheken und Archiven – allerdings ohne Lesesäle – auf den 11. Mai beschlossen. Wie das allerdings funktioniert, ist noch wenig klar, wo doch die 5-Personen-Regel bis 8. Juni andauern soll. Und wie viele Menschen danach zu Anlässen, einem Begleitpodium zu einer Ausstellung etwa, zugelassen werden können, steht auch noch nicht fest. Mit anderen Worten: Museen können öffnen, aber nicht eigentlich planen. Spürbar mehr Bewegung wird ab Juni in die Kulturszene kommen, wenn auch Kinos und Theater wieder spielen können.

Vom Hochfahren reden sie, wenn in den Werken von Volkswagen die Laufbänder zu rollen beginnen und Arbeiter mit Schutzmasken für das Fernsehen Produktivität stimulieren, als Beweis gewissermassen, dass die Normalität wieder übernommen hat. Hochfahren, jetzt auf die Kulturarbeit und Kulturvermittlung bezogen, ist das eine. Allein dies wird bei allen und jedem mit enorm viel Aufwand verbunden sein. Noch schwieriger und riskanter wird es sein, wieder die Vielfalt, die Qualität und die Kontinuität zu erreichen und zu halten, welche die Kulturstadt Bern bis vor wenigen Wochen auszeichneten.

Die Kulturabteilungen in Stadt, Kanton und Eidgenossenschaft bemühen sich sehr, dem Kulturschaffen unterstützend beizustehen. Kultur Stadt Bern, für viele bekult-Mitglieder erste Anlaufstelle, zeigte sich in den vergangenen Wochen stets offen für Fragen und Hilfeleistungen – eine verlässliche Adresse in unsicheren Zeiten. In einer Stadt wie Berlin, sagte deren Kultursenator in der ‘Zeit’, «ist die Hilfe für die Kultur Selbsterhaltung.» Das trifft auch auf Bern zu. Dem Kulturschaffen kommt im öffentlichen Leben einer Stadt hoher Stellenwert zu, die Beteiligung am Kulturleben reicht quer durch die Gesellschaft. Das liegt stark in der für Bern typischen Angebotsvielfalt begründet. Kulturstadt Bern, das ist nicht nur ein Label, das ist eine Haltung.

Doch für die Zeit nach der Krise, die Phase des neuen Aufbaus, wenn es der öffentlichen Hand an allen Ecken und Enden an Mitteln mangeln wird, müssen sich die Kulturschaffenden auf Gegenwind gefasst machen. Die heute oft fast selbstverständlichen Mechanismen der Kulturförderung, die auf breitem gesellschaftlichen Konsens beruhen, werden nicht mehr in gleicher Weise gelten. Sie werden vermutlich nicht mehr so unbestritten sein wie bisher.

Ein gibt bereits Anzeichen in diese Richtung. Die Verhandlungen über die Leistungsverträge für die Zeit von 2024-2027 könnten harzig verlaufen. Eine generelle mehrprozentige Kürzung der Kulturausgaben für Institutionen und Freie ist nicht mehr undenkbar. Oder: Am 2. April hat der Berner Gemeinderat ein Sparprogramm bekannt gegeben, das auch die laufenden Kulturausgaben betrifft. Auf Anfrage von bekult – für die Medien war das zu der Zeit kein Thema mehr – hat Stadtpräsident Alec von Graffenried bestätigt, dass der Kultur-Kürzungsbetrag in diesem Jahr bei rund 200’000 Franken liegt, im kommenden Jahr bereits bei 365’000. Die Mittel werden bei der Projektförderung abgezogen werden müssen, denn die in Leistungsverträgen festgeschriebenen Beiträge sind auf vier Jahre, das heisst bis Ende 2023, gebunden. Niemand kann vor dem Hintergrund von Coronakrise und angeschlagener Stadtfinanzen garantieren, dass der Betrag, der eingespart werden soll, immerhin über eine halbe Million Franken, irgendeinmal wieder zurück ins Kulturbudget kommt.

Und schliesslich: Um die jährliche Hauptstadtabgeltung des Bundes, die berüchtigte Bundesmillion, steht’s, wie bereits seit einiger Zeit zu befürchten war, nicht so gut. Nein, es steht überhaupt nicht gut, wenn selbst der Stadtpräsident, sonst bekanntlich durchaus Optimist, nur ratlos die Arme verwirft. Doch was soll man erwarten, wenn nicht einmal alle Stadtberner Nationalräte die Notwendigkeit dieser Bundesabgeltung teilen?

Heimatland! So viel Trübsal! Dabei gibt es auch das Andere. Die Kreativität, in der Krise andere Wege der Vermittlung zu finden. Die Solidarität, die viele Kulturbetriebe und Kulturschaffende von ihren Besucherinnen und Zuschauern erfahren haben. Signale, die Mut machen und Lust wecken auf Neues.

Also, hochfahren wo und wie es nur geht. Die Kultur muss sich unbedingt einmischen, wenn die Menschen und die Welt sich auf den Weg zurück in die sogenannte Normalität machen.

Alles Gute, viel Energie, Geduld und Phantasie!

 

Liebe Grüsse Bernhard Giger

PS: Mit der Absage des Gurtenfestivals entfällt dieses Jahr auch der bekult- Gurtengipfel. 2021 wieder.