Liebe bekult-Mitglieder
Wie wir gestern Abend bereits mitgeteilt haben, findet die bekult-Mitgliederversammlung vom kommenden Dienstag, 17. März, im Kulturhof-Schloss Köniz nicht statt. Wir werden die MV nachholen, sobald es die Umstände erlauben. bekult wird jedoch baldmöglichst zu einem Treffen einladen, an dem die konkreten Auswirkungen der Epidemie auf den Berner Kulturbetrieb besprochen und analysiert sowie allenfalls Massnahmen beschlossen werden sollen.
Keine Mitgliederversammlung, aber doch eine kleine Tour d’Horizon über das bekult-Jahr und überhaupt die Kulturstadt Bern: Es gab die festen Termine, Neuzuzügeranlässe, Gurten-Gipfel, «Zu Besuch» in der Dampfzentrale. Während der Gurten-Gipfel unter dem Thema «Alles neu in der Kulturstadt Bern?» von allen Beteiligten als sehr gelungen gewürdigt wurde, war das Interesse beim Anlass in der Dampfzentrale Anfang November – mit einer Performance von Eisa Jocson und The Filipino Superwoman Band im Rahmen des Festivals Tanz in Bern – gering. Der Vorstand hat darum beschlossen, vorläufig auf die Fortsetzung der Veranstaltungsreihe zu verzichten und nach einem neuen Format zu suchen. Trotzdem: Ganz herzlichen Dank an die Dampfzentrale für die Einladung und die Organisation.
Engagiert hat sich bekult in der Kampagne für die Weiterführung des jährlichen kulturellen Bundesbeitrags an die Stadt Bern, der Bundesmillion, wie der Volksmund sagt. Nachdem wir noch im letzten Sommer mit einem breiten Argumentarium der Stadt munitioniert wurden, ist es inzwischen seltsam ruhig geworden. Im Sommer soll die Kulturbotschaft, die eine Streichung des Beitrags vorsieht, in die Räte kommen, endgültige Entscheide dürften aber erst im Herbst fallen. Wir sind gespannt, grad zahlreich scheint die Lobby für den Beitrag an Bern im Parlament nicht zu sein.
Es gibt auch Erfreuliches zu vermelden, einen richtigen Aufsteller – in Sachen Plakatierung in der Innenstadt tut sich etwas. Das ständige Meckern, dass Kultursäulen auch in die Innenstadt gehören, dorthin, wo am meisten Menschen durchkommen, hat sich ausbezahlt: In der Antwort auf eine auch auf Anregung von bekult zustande gekommene SP-Motion unter der Federführung von Katharina Altas schreibt der Gemeinderat, vor dem Hintergrund dessen, dass «insbesondere die Regelung mit den temporären Plakatständern problematische Seiten aufweist», sei er bereit zu prüfen, «zusätzliche Kulturplakatierungsmöglichkeiten anzubieten». Will heissen: Auch in der Innenstadt wird es Kultursäulen geben, die hässlichen und nicht ungefährlichen Eisenständer, die bei jedem Windstoss umkippen, werden verschwinden. Und der öffentliche Raum wird eine Spur eleganter und einladender werden.
Wenn es nicht gerade windet, ist es eigentlich recht ruhig in der Kulturstadt Bern. Die vierjährige Periode der Kulturförderung 2020-2023 ist eben angelaufen, da will man nicht gleich wieder über mehr Subventionen streiten. Aber Diskussionsbedarf wäre durchaus gegeben. Es gibt – zum Beispiel – ein grosses Projekt, das, würde es realisiert, den Kulturbetrieb ganz schön umkrempeln könnte: der Neu- oder Erweiterungsbau des Kunstmuseums. Zusammen mit der Vision vom Museumsquartier hinter dem Helvetiaplatz sind es eigentlich zwei Projekte. Beide könnten für Bern eine Chance sein. Aber Hand aufs Herz: interessiert’s jemanden wirklich?
Endlich einmal etwas Grosses wagen, es ist die alte Berner Träumerei. Die Anfangseuphorie ist auf allen Seiten im Schoss der Geruhsamkeit angekommen und es wird bereits heruntergefahren und gedämpft. Während die Medienmitteilung der Stadt zum Museumsquartier im April 2019 einen begeisterten Stadtpräsidenten zitierte, der von einer einmaligen Chance sprach, von einem Kulturquartier auf höchstem Niveau und hoher Aufenthaltsqualität auch für die Bevölkerung, brach der städtische Finanzdirektor fünf Monate später die einmalige Chance schon wieder in den realpolitischen Alltag hinunter: Die neue Verschuldung, sagte Michael Aebersold, lasse die Finanzierung gewisser Projekte nicht mehr zu. Beim Museumsquartier werde sich deshalb die Frage stellen, zitierte ihn der «Bund», «ob und wenn ja in welchem Umfang sich die Stadt an einem Projekt im dreistelligen Millionenbereich beteiligen kann». Muss sehr ermutigend sein, solche Ankündigungen, für die Steuergruppe unter der Leitung von Christophe von Werdt, welche das Projekt weiterentwickelt, um die Grundlagen für einen Architekturwettbewerb zu schaffen.
Auf Kantonsebene lief es beim Kunstmuseum ähnlich. Im Sommer verkündete Finanzdirektorin Beatrice Simon, der Kantonsbeitrag an den Ausbau des Kunstmuseums würde sich um fünf Jahre verzögern. Es gab dagegen nicht einmal grossen Protest aus der Stadt, so eingespielt sind die Mechanismen. Nein, im Gegenteil. Man konstatierte zufrieden, dass der Ausbau an sich nicht bestritten sei, und von bürgerlicher Seite Wurde gleich noch angemahnt, den Aufschub der Investitionen als Hinweis zu verstehen, sich nicht für die maximale Ausbauvariante zu entscheiden.
Doch was will man drängen, wo sich die Verantwortlichen selbst viel Zeit nehmen. Kürzlich hat der Stiftungsrat der Dachstiftung Kunstmuseum Bern bekannt gegeben, dass nun eine umfassende Betriebskostenanalyse erstellt werde – was bedeutet, dass sich der schon länger angekündigte Architekturwettbewerb und damit der Variantenentscheid weiter hinausauszögert, um ein halbes Jahr, heisst es; es könnte leicht auch länger dauern.
Wo ist die Begeisterung, wenn es um den Leuchtturm geht, der an der Hodlerstrasse hingestellt werden soll? Wo ist die Kunstszene, die sich stark macht für die neuen Räume und Inhalte, die sich hier öffnen? Wo sind die Berner Sammler und Sammlerinnen, die sagen, wenn Hansjörg Wyss 20 Millionen gibt, sind wir selber sicher auch mit einigen Millionen dabei? Lieber rümpft man die Nase ob dem launischen «Herrn Wyss» und seiner komischen Forderung nach einer autofreien Hodlerstrasse. Das ist übrigens auch eine Bedingung, damit der Architekturwettbewerb überhaupt gestartet werden kann: dass die Verkehrsfrage vor dem Haus gelöst ist. Lange Nichts mehr gehört davon.
Warum bloss will man auf einmal nicht mehr gross widersprechen, wenn Christoph Reichenau auf «Journal B» den Abbruch der Übung fordert und einen Neuanfang vorne am Lorraine-Brückenkopf vorschlägt? Das wäre dann die Auffrischung einer städtebaulichen Debatte aus den späten Neunzigerjahren. Ganz neu beginnen, völlig frei in den Gedanken. Endlich etwas wirklich Grosses wagen. Packen wir’s!
Jetzt aber vorerst einmal und ganz entschieden: Allen Mut und alle Kraft bei der Bewältigung der durch das Coronavirus entstandenen und noch entstehenden Probleme für die Kulturszene!
Liebe Grüsse
Bernhard Giger