Über den neuen Kredit für die Altstadtkeller und Puppentheater entscheidet der Stadtpräsident künftig ganz alleine. 100’000 Franken kann er so verteilen. Politiker und Kulturschaffende reagieren «irritiert».
Jetzt ist klar, wie das Geld des neuen Förderkredits in die Berner Altstadtkeller fliesst. Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) persönlich hat ein neues Fördertöpfchen geschaffen, um die Tradition der Kulturkeller in der Altstadt zu fördern. 100’000 Franken sollen so pro Jahr an die Kosten für die Infrastruktur von Kulturkellern fliessen.
Geht es um die Förderung von Kultur, befinden sonst meist Fachkommissionen oder etwa die Kultursekretärin. Doch über die Vergabe des Kredits «Infrastrukturen der Altstadt für kulturelle Nutzung» entscheidet der Stadtpräsident. Die Aufgabe der Kulturförderkommissionen sei es, Gesuche aus künstlerischer Sicht zu prüfen, sagt von Graffenried. «Die Förderung der Altstadtkultur aus Mitteln des neuen Kredits hingegen erfolgt aufgrund von kulturpolitischen Kriterien», so der Stadtpräsident. Somit entfalle eine künstlerische Prüfung durch die Kulturkommissionen.
Diese Aussage lässt CVP-Stadträtin Milena Daphinoff aufhorchen: «Kulturförderung ist per se Kulturpolitik. Und diese sollte sich in jedem Fall an Qualität orientieren. Egal, aus welchem Kredit die Mittel stammen», sagt sie. Es sei daher für sie befremdlich, dass man bei der Stadt dieses Kriterium bei der Vergabe der neuen Subvention nicht höher gewichte. Vor einer «Machtballung» beim Stapi fürchtet sie sich indes nicht, da die Abteilung Kultur Stadt Bern vorgängig eine Prüfung und Empfehlung zu den Gesuchen abzugeben hat, bevor der Stapi entscheidet.
Er sei «irritiert» über von Graffenrieds Aussage, es handle sich hier um kulturpolitische und nicht künstlerische Entscheide, sagt auch Bernhard Giger, der Präsident von Bekult, dem Dachverband der Berner Kulturveranstalter. Auch über die wenigen Kriterien zur Vergabe der Gelder wundert er sich: «Wenn man über die Förderung von Kultur spricht, muss man doch auch über Inhalte sprechen», sagt er. Die Gesuche werden nur an drei Kriterien gemessen: Vielfalt des Publikums, Beitrag zur Tradition und Anzahl Aktivitäten im Kellerlokal.
«Die Förderung der Altstadtkultur erfolgt aufgrund von kulturpolitischen Kriterien.»Alec von Graffenried, Berner Stadtpräsident
Die Idee, die Tradition der Altstadtkeller und die Belebung der historischen Altstadt zu fördern sei sicherlich gut, sagt SP-Stadträtin Katharina Altas. «Doch mit der Summe kann man nur wenig bewegen.» Der Kredit wird nächste Woche noch im Rahmen des Budgets vom Stadtrat verabschiedet. Über bewilligte Budgetkredite können die zuständigen Direktionen dann eigenständig verfügen.
Überhaupt ins Leben gerufen wurde der Kredit, nachdem bekannt wurde, dass etwa das Berner Puppentheater, aber auch das Theater Narrenpack finanziell zu kämpfen haben. Der Stadtpräsident versprach daraufhin, eine Lösung zu suchen.
Die Frage ist nun, wer vom neuen Kässeli profitieren wird. Bis zum 30. November können sich die Kulturkeller dafür bewerben. Wie hoch der Beitrag an eine einzelne Institution ausfallen kann, darüber gibt das nun neu herausgegebene Merkblatt keine Information. Zu erfahren ist aber, dass nur Keller eine finanzielle Unterstützung erhalten, wenn sie seit drei Jahren Kultur veranstalten und mindestens neunzig Anlässe pro Jahr organisieren. Damit fällt die Unterstützung von kleineren oder neuen Altstadtkellern weg. Auch dürfen die geförderten Institutionen nicht bereits von der Stadt gefördert werden, etwa durch eine Leistungsvereinbarung oder eine Programmförderung. Deshalb dürfte etwa der Kulturkeller Ono nicht zum Zug kommen.
Nur eine Handvoll Institutionen kann die gestellten Voraussetzungen erfüllen. Deshalb wird der neue Kredit auch nicht zu einer Belebung der Altstadt, sondern nur zu einer Aufwertung einiger Spielstätten führen. Auf Anfrage zeigen sich das Puppentheater, das Narrenpack und das Mattetheater interessiert, ein Gesuch einzugeben.
Im Parlament habe von Graffenried dem Stadtrat versichert, dass für das Narrenpack-Theater aus dem neuen Kredit eine Lösung gefunden werde, sagt Corinne Vorburger vom Theater Narrenpack. «Wir nehmen die Aussage des Stadtpräsidenten ernst.» Die Aussicht auf Unterstützung bleibe aber trotzdem ungewiss. «Die formulierten Förderkriterien erscheinen uns dehnbar, breit interpretierbar und bieten viel Raum für Entscheidungen in beide Richtungen», so Vorburger.
Rund 16’400 Unterschriften sammelten die Verantwortlichen für ihre Petition «Rettet das Puppentheater» Anfang Jahr in wenigen Wochen. Die Kulturveranstalter sagten dem «Bund» damals, dass sie auf eine Unterstützung in Höhe von 150’000 Franken hofften. Eine Erwartung, die der neue Kredit nicht erfüllen kann.